Liesborn (mw/bb). Wenn man nur im Paris der 1920er leben könnte – mit diesem sehnsüchtigen Wunsch beginnt Woody Allens Komödie „Midnight in Paris“ (2011). Für die Hauptfigur, Autor Gil Pender (im Film dargestellt von Owen Wilson), wird der Traum Wirklichkeit: Nacht für Nacht reist er zurück in jene sagenumwobene Epoche, in die „Goldenen 1920er“. Hier tummeln sich Literaten, Maler und Musiker in verrauchten Cafés und die Stadt der Liebe schien der Nabel der Welt zu sein.
Die Faszination liegt in der Idee, mitten unter den Größen der Avantgarde zu sitzen: Hemingway diskutiert über Mut und Picasso malt in Ekstase und mittendrin ein moderner Mensch, der begreift, dass jede Zeit ihre eigene Nostalgie hat. Ein bittersüßer Blick auf die Vergangenheit und auch eine Einladung, Kunst nicht als etwas Abgeschlossenes zu sehen, sondern als lebendige Begegnung. Die moderne „École de Paris“ erzählt viele Geschichten. Im Film werden Menschen, Begegnungen und die Stadt selbst zur Muse für den Protagonisten.




Ganz in diesem Geist steht auch die neue Sonderausstellung im Museum Abtei Liesborn: „Das Dreigestirn der Moderne. Picasso – Miró – Chagall“. Vom 15. Juni bis zum 5. Oktober 2025 versetzt sie Besucherinnen und Besucher mit 95 Werken und einer atmosphärischen Inszenierung in genau jene Zeit zwischen Bohème und dem Brechen tradierter Kunststile zurück. Warum in die Ferne schweifen, wenn Paris auch an der Liese liegen kann?
Ein Pariser Café mitten in Westfalen?
Bereits im ersten Raum im Neubau wird deutlich, dass es hier nicht ausschließlich um Kunstwerke geht, sondern auch um ein Gefühl: Mit Bistrotischen, Straßenlaternen und einem Metro-Schild schafft das Museum eine Pariser Café-Szene (die den Autor dieser Zeilen an die nächtlichen Spaziergänge aus dem eingangs erwähnten Film erinnert). Die Ausstellung bringt drei der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der klassischen Moderne gemeinsam unter ein (Museums-) Dach: Am Abteiring in Liesborn tummeln sich die Picassos, Mirós und Chagalls.
Wie bringt man diese drei Persönlichkeiten zusammen? Für alle drei Künstler war Paris nicht nur ein Ort zum Wohnen, sondern auch der Reibung und Inspiration. „Drei ganz unverwechselbare künstlerische Handschriften werden in der Ausstellung vorgestellt“, erklärt Professor Markus Müller, Direktor des Kunstmuseums Pablo Picasso Münster. „Die Exponate versprechen ein Gipfeltreffen der Moderne im Kloster Liesborn, wobei alle drei aus ganz unterschiedlichen Stil-Richtungen kommend ins westfälische Kloster anreisen.“




Die Ausstellung macht diesen kulturellen Austausch sichtbar: Eine großformatige Straßenkarte von Paris zeigt jene Orte, an denen sich das Leben und Schaffen der Künstler verdichtete: Ateliers, Galerien, Wohnungen, Cafés. Wie im Film ergibt sich ein Mosaik aus realen Begegnungen und künstlerischer Mythenbildung. Ob Picassos „Kröte“, Mirós „Seelöwe“ oder Chagalls „Hahn über Paris“ – die Ausstellung zeigt, wie individuell jeder der drei Künstler die Druckgrafik als Ausdrucksform nutzte. Ihre Werke sind farbenfroh, rätselhaft, zutiefst menschlich und manchmal spielerisch leicht. Gemeinsam ist ihnen die Fähigkeit, Emotionen in Linien zu fassen, Welten mit wenigen Strichen entstehen zu lassen. Ein fiktives Atelier am Ende der Ausstellung lädt dazu ein, das kreative Denken der Künstler nachzuvollziehen. Ein Erlebnis nicht nur für Kinder, sondern für alle, die selbst einmal Pinsel oder Stift in die Hand nehmen möchten.
Kultureller Höhepunkt im Jubiläumsjahr des Kreises Warendorf
„Das Museum Abtei Liesborn hat sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe in der Kunst- und Kulturszene des Münsterlandes entwickelt“, betont Landrat Dr. Olaf Gericke, „und mit der aktuellen Sonderausstellung vereint es gleich drei herausragende Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts unter seinem Dach, die sicherlich zahlreiche Besucherinnen und Besucher in den Kreis Warendorf locken werden.“

Ermöglicht wird die Ausstellung durch Leihgaben aus dem Kunstmuseum Pablo Picasso Münster und der Galerie Haas Zürich sowie die Unterstützung durch die Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost. Sparkassenvorstand Peter Scholz sagt dazu: „Mit der Ausstellung ‚Das Dreigestirn der Moderne‘ wird im Jubiläumsjahr des Kreises Warendorf ein kulturelles Ausrufezeichen gesetzt – ein museales Leuchtturmprojekt, das weit über die Region hinausstrahlt und zugleich die kulturelle Identität unserer Heimat eindrucksvoll stärkt.“
Mit zur Ausstellung gesellt sich ein umfangreiches Begleitprogramm, das mit Kulinarik und Konzerten die Brücke zwischen Frankreich und Spanien schlägt. Eine Workshop-Reihe für Erwachsene und Kreativangebote für Kinder und Jugendliche gibt es ebenfalls.
Wie der Film „Midnight in Paris“ lädt auch „Das Dreigestirn der Moderne“ dazu ein, innezuhalten, sich zu verlieren und gleichzeitig neu zu entdecken, was Kunst im Kern ausmacht: Begegnung, Emotion, Erneuerung. Das Museum Abtei Liesborn wird zur Bühne eines Pariser Traums, der nie ganz vergangen ist. Und vielleicht ist es genau das, was die Kunst am Leben hält?
Nähere Informationen zu einzelnen Angeboten können der Webseite des Museums Abtei Liesborn entnommen werden (externer Link). Die Ausstellungseröffnung findet am 15. Juni 2025 um 15 Uhr im Rahmen des Schlösser- und Burgentages statt. Der Eintritt ins Museum und in die Sonderausstellung ist wie immer frei.
Fotos/Text: B. Brüggenthies