Vorab eine Warnung: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rathauses sollten den folgenden Text vielleicht besser nicht lesen. Aber die Personen, die es betrifft, haben zu diesem Zeitpunkt schon Wochenende oder vermarkten Wadersloh auf der Baumesse in Rheda-Wiedenbrück mit diversen Superlativen als Wohn- und Arbeitsort Nummer 1 des Kreises Warendorf. Viel Erfolg dabei! Auch wer die Printnostalgie und frühstückskonforme Berichterstattung der Mitbewerber-Medien außerhalb der Großgemeinde gewohnt ist, könnte eventuell von den folgenden Zeilen irritiert werden. Aber ich habe ja vorab gewarnt. Also bitte keine Vorwürfe! Wadersloh, Diestedde und Liesborn: Wir müssen reden. Es geht um einen sterbenskranken Patienten: Unsere Heimat. [Anmerkung: Achtung, dieser Text kann Spuren von Emotionen und Dorfliebe enthalten!]
Wenn ich in Liesborn wäre, würde ich einen Arzt konsultieren. Leider wird dort gerade verzweifelt nach einem gesucht. Schade. Wenn ich in Diestedde wäre, würde ich zu seinem Seelsorger gehen. Leider gibt es in diesem Ortsteil keinen. Dann kaufe ich stattdessen eben Schokolade gegen den Frust. Moment: Nienaber und Schalkamp gibt es ja gar nicht mehr. Immerhin hat der Bäcker noch Käsekuchen. Mein Tag ist gerettet. Jetzt müssen wir nur noch unsere Dörfer retten. Wo ist denn schon wieder mein Superman-Umhang? Ist ja sowieso bald Karneval.
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Vergangene Woche habe ich ein kleines Video über den „Wohlfühlort“ erstellt. Zugegebenermaßen war das Video etwas düster und nicht besonders einladend für Außenstehende. Immerhin hat es aber eine Botschaft transportiert, die von vielen Leserinnen und Lesern auch verstanden und sogar ausgesprochen rege diskutiert wurde. Dass nicht alles Golddorf ist, was glänzt, merkt auch unser Leser Thorsten Schwichtenhövel in einem Kommentar dazu auf Facebook an: „Das ehemalige Golddorf ist leider heruntergekommen zu einem Ort mit einer äußerst defizitären Infrastruktur.“ […] Tatsächlich könnte man fast meinen, dass das Dorfherz mit dem „Tod“ der Femeeiche – dem Naturwahrzeichen des Dorfes- aus Solidarität mit aufgehört hat zu schlagen. Hier und da blitzt immer noch das ehrenamtliche und gut gemeinte Engagement der Vereine auf, die übrigens allesamt mit Mitgliederschwund zu kämpfen haben. Haben die Diestedder ihr Dorf aufgegeben?
„Früher war alles besser…“
Ich erinnere mich gut an meine Kindheit und Jugend zurück: Meine ersten Fußballschuhe habe ich bei Monika Steinbrink gekauft, anschließend gab es die „bunte Tüte“ bei Nienaber und wenn das Taschengeld langte, führte auch an den Spielzeugregalen von Wächter kein Weg vorbei. Und der Nikolaussonntag entlang der Langen Straße: Ein Großereignis! Aber das war einmal. Während an der Liesborner Straße in Wadersloh neue Tourismuskonzepte entwickelt werden, wird oftmals vergessen, dass unser „Patient“ auch Selbstheilungskräfte hat. Während „DIESTopia2025“ ein düsteres Bild unserer Dorfzukunft zeichnet, möchte man diesem Patienten eine Hand reichen und ihm Mut zusprechen: „Alles wird gut. Du wirst wieder gesund!“. Damit das funktioniert brauchen wir aber Hilfe. Das Rathaus und der Kreis Warendorf alleine werden uns diese Unterstützung alleine nicht bieten können. Die haben nämlich selbst kein Geld!
Hey Wadersloh – Gib‘ doch mal einen Supermarkt ab!
Ja, Wadersloh hat viel zu viele Discounter. Warum geben die denn keinen Supermarkt ab? Der Hauptort muss eben auch gestärkt werden. Ganz einfach! Wadersloh war mal bekannt für seine Feuerlöscher (die mittlerweile im Ausland produziert werden), seine hochwertigen Bibliotheken (die Paschen-Werke sind geschlossen) und einem ausgezeichneten Sterne-Restaurant (die Zwangsversteigerung von Hotel Bomke geht bald in die nächste Runde). Von dem sehr traurigen Wochenmarkt mit seinen sehr mutigen Marktbeschickern wollen wir an dieser Stelle gar nicht erst reden.
Jeder ist seines Glückes Dorfschmied. Unsere Stärke ist der Zusammenhalt, das Miteinander, die Wanderwege, unser Schloss. Was für Diestedde gilt, gilt auch für Liesborn und natürlich Wadersloh. Und auch Stromberg. Herzfeld. Die kleinen Dörfer können nicht mit den Städten konkurrieren. Aber wir haben uns. Wir müssen selbst aktiv werden!
Man kann ja auch mal „Danke“ sagen! Und mitgestalten!
Danke an Landjugend, die Landfrauen, die Frauengemeinschaften, die Kolpingfamilien, an die ROMO-Freunde Liesborn, die Heimatvereine. Danke an den Gewerbeverein. Danke an die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr und des DRK. Danke an die Seelsorger (ihr seid in diesen Tagen besonders wichtig), an die Kulturschaffenden, an die Mutigen, die in den Baugebieten der Großgemeinde Wadersloh ihr Zuhause errichten und an eine Zukunft bei uns auf dem Land glauben. Und Danke auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde, die trotz Warnung diesen Text gelesen haben. Ihr habt keinen einfachen Job. Das wissen wir auch.
Es liegt vor allem an uns, aus Wadersloh wieder einen Wohlfühlort zu machen. Unser Leser Thorsten Schwichtenhövel, der übrigens aus Oelde kommt, meint: „Somit befindet sich dieses Dorf, wie auch viele andere, leider in einer sich abwärtsdrehenden Spirale. Da hilft es auch wenig vom Landleben zu schwärmen, man muss es aktiv angehen und bedarf frischer Impulse.“ Keine schönen Aussichten, oder? „[…] Jede /r ist für das Dorfleben verantwortlich. Und es gibt genug Leute , die nur meckern und fordern , statt selbst aktiv zu werden.“ […], fordert Elke Brinkmann aus Diestedde, Mutter von drei Kindern und selbst sehr engagiert im Dorf.
Was bleibt also noch zu sagen?
- Engagiert euch in den Vereinen und Gruppen!
- Geht in die Kirchen (auch wenn ihr da keine Smartphones nutzen dürft, seht es doch einfach als spirituelle Auszeit vom Alltag)!
- Besucht die kleinen Kulturveranstaltungen in unseren Dörfern!
- Wann wart ihr eigentlich das letzte Mal im Museum Abtei Liesborn…
- ..und wann habt ihr im Hofladen um die Ecke zuletzt frisches Obst für eure Smoothies gekauft?
- Geht in die inhabergeführten Geschäfte vor Ort (und vielleicht kauft ihr da sogar eine Kleinigkeit?)
- Trinkt euren Kaffee ausnahmsweise mal in den Cafés vor Ort (die haben da übrigens auch leckeren Kuchen)!
- Esst eure Pizzen ausnahmsweise mal nicht aus der Tiefkühltruhe, sondern aus dem Steinofen der Familien-Pizzeria nebenan!
- Redet miteinander!
- Seid kreativ!
- Lebt und liebt euer Dorf!
Lasst #DIESTopia2025 nicht zur Realität werden.
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Fotos/Text: Benedikt Brüggenthies