Wadersloh/Obing (mw/bb). Wenn ein Lehrer aus Bayern mit dem Fahrrad über 670 Kilometer bis ins Münsterland strampelt, nur um beim Schützenfest in Wadersloh mit seinen Freunden Musik zu machen, dann ist das mehr als nur ein sportlicher Ausflug, dann ist das gelebte Freundschaft. Die Geschichte der Verbindung zwischen dem Musikverein Obing und dem Schützenverein St. Margarethen Wadersloh ist ein Paradebeispiel dafür, wie Musik Grenzen überwindet und Menschen verbindet.
Mit purer Muskelkraft von Obing nach Wadersloh
„Soll ich Hochdeutsch reden oder auf Bayrisch?“, fragt Franz Mußner bei seiner Ankunft verschmitzt, müde, aber auch sichtlich stolz. Der 35-jährige Hauptschullehrer aus Obing hat sich in seinem Urlaub in den Sattel geschwungen und ist binnen acht Tagen mit purer Muskelkraft von Oberbayern bis zu uns nach Wadersloh geradelt. Zwischen 80 und 140 Kilometer pro Tag hat er zurückgelegt. Geschlafen wurde in einfachen Unterkünften (online recherchiert), versorgt aus Supermärkten, gesteuert von „Komoot“ und Google Maps. „Das war eine Schnapsidee – aber eine gute“, lacht Franz. Empfangen wurde der Radfahrer mit großer Begeisterung, wenn auch etwas vorzeitig: „Die anderen waren noch gar nicht da, als ich angekommen bin“, erzählt Franz. Aber wenn selbst das Schützenköniginnen-Kleid mit Verspätung eintrifft, wäre das wohl auch kein Problem gewesen. Franz‘ Ankommen war nicht nur sportlich ein Höhepunkt, es war auch so etwas wie ein symbolischer Auftakt für ein Wochenende, das ganz im Zeichen der Freundschaft und der Musik stand.
Anm. d. Red.: Der Rest der mann- und fraustarken Obinger Blasmusikkapelle samt Instrumenten kam übrigens wie gewohnt mit dem Bus. Franz nimmt den Rückweg dann auch lieber motorisiert, sagte er im Interview mit MW!
Eine Freundschaft mit Geschichte
Die Verbindung zwischen dem Musikverein Obing (Oberbayern) und Wadersloh reicht mittlerweile rund 40 Jahre zurück. Damals, so erzählt es der Obinger Musiker Alois Englbrechtinger, waren es Urlauber aus Wadersloh, die den Erstkontakt herstellten. Im Jahr 2000 folgte dann der erste offizielle Auftritt der Obinger Blaskapelle im Wadersloher Festzelt. Seitdem ist die musikalische Freundschaft gewachsen, mit regelmäßigen Besuchen, musikalischer Begleitung des Schützenfestes, und vor allem: vielen persönlichen Beziehungen.
Besonders herzlich ist die Verbindung zur Feuerwehrkapelle Liesborn, mit der regelmäßig Gemeinschaftsspiele stattfinden. Es ist ein lebendiger kultureller Austausch, der weit über den musikalischen Rahmen hinausgeht. So auch symbolisiert durch Elisabeth Fleiter, geborene Englbrechtinger, die als „Botschafterin“ der Obinger Kapelle in Wadersloh lebt und deren Sohn Tobias nun selbst in die musikalischen Fußstapfen tritt: Wenn es nach dem Großvater geht, soll er eines Tages Posaune lernen und stünde damit sinnbildlich für die nächste Generation der bayerisch-westfälischen Freundschaft. Aktuell trägt er aber noch Windeln anstelle eines Blasinstruments. Immerhin: Auf dem Shirt hat Papa Christian schon mal den Schriftzug „Wenn die Musi loslegt, wackelt die Windel“ angebracht.

Die Bayern und Westfalen leben die Freundschaft
Historisch war das Verhältnis zwischen Bayern und Preußen nicht immer harmonisch: Rivalitäten und kulturelle Unterschiede prägten lange Zeit das Miteinander. In diesem Licht betrachtet, ist die Verbindung zwischen Obing und Wadersloh ein umso schöneres Gegenbeispiel: Statt Gegeneinander wird hier das Miteinander gefeiert. Mit Blasmusik und einem klaren Bekenntnis zur Freundschaft. Was vor Jahrzehnten mit einem Urlaub und einer Einladung begann, ist heute gelebte Partnerschaft. Generationsübergreifend, vereinsübergreifend, bundesländerübergreifend. Bei Instagram bringen es der Musikverein Obing und der Schützenverein Wadersloh nach 25 Jahren Freundschaft auf den Punkt: „Auf weitere viele Jahre der Freundschaft – ein dreifach kräftiges HORRIDO!“
Blasmusik ist der Herzschlag eines jeden Schützenfestes
Ein Schützenfest ohne Blasmusik? Kaum vorstellbar. Die feierlichen Märsche beim Antreten, der festliche Klang zum Großen Zapfenstreich, die ausgelassene Stimmung im Festzelt, die Begleitung während der Schützenmesse: Alles das lebt vom Klang der Blasmusik. Die Musikerinnen und Musiker sind Teil der Gemeinschaft. In Wadersloh ist das besonders spürbar, wenn die Obinger und heimischen Kapellen (die Feuerwehrkapelle Liesborn und der Spielmannszug Benteler) gemeinsam aufspielen.



Fotos/Text: B. Brüggenthies