Geseke-Langeneicke / Wadersloh (mw/bb). Ein Organspendeausweis, der unter die Haut geht? So etwas gibt es seit dem Frühjahr 2023 aufgrund der Initiative des Münchener Vereins „Junge Helden“. Ein spezielles Tattoo soll für das Thema „Organspende“ sensibilisieren und auf den ersten Blick zeigen, dass man potenzieller Organspender ist. Bundesweit wird seit März für das Projekt Organspende-Tattoo „Opt.Ink“ geworben. Auch die Wadersloherin Sarah-Jane Kammermann hat sich dazu entschieden, sich den besonderen „Türöffner“ in Tattoo-Form stechen zu lassen, um das Thema „Organspende“ öffentlicher zu machen. Kürzlich ließ sie sich die besondere, dauerhafte Körperbemalung im Tattoo-Studio „Farbenkessel“ in Langeneicke stechen.
Ein klares, visuelles Statement für Organspenden und soziales Engagement
Hier entsteht nicht nur Körperkunst, hier wird auch Solidarität gelebt: Im Tattoo-Studio „Farbenkessel“ in Geseke-Langeneicke wird das Angebot des kostenlosen Organspende-Tattoos seit einigen Wochen sehr gut angenommen. Rund 50 Personen haben seit Mai in dem Studio einen der Sondertermine gebucht und tragen fortan ein kleines Symbol auf der Haut, um sichtbar zu zeigen, dass sie mögliche Organspender sind. Für viele ist es eine Herzensangelegenheit, mit dem kleinen Zeichen auf ein wichtiges Thema zu machen, das noch mehr Öffentlichkeit benötigt.
Das Symbol selbst ist so designt, dass es ein Tattoo-Studio ohne zu großen eigenen Kostenaufwand stechen kann. Auch kann es relativ einfach in vorhandene Tattoos integriert werden. Zwei Halbkreise werden zu einem Ganzen. Die geometrische Form symbolisiert die Buchstaben „O“ und „D“ und steht für „Organ Donor“ („Organspender“). Sonderwünsche sind gegen einen kleinen Aufpreis möglich. Das Symbol selbst wird von den teilnehmenden Studios kostenlos gestochen.
Für Inhaberin Joleyn („Marge“) Simpson war es selbstverständlich, dass ihr Studio bei der Aktion mitmacht. „Uns ist es wichtig, dass wir einen kleinen Beitrag für das Sichtbarmachen von Organspenden leisten“, sagt sie. Soziales Engagement wird in dem Tattoo- und Pierching-Studio aus dem kleinen Dorf ohnehin schon immer großgeschrieben: Zwei Mal im Jahr setzt sich das Team für gemeinnützige Organisationen in Langeneicke und in der Region ein. Vor allem für Kinder und Menschen in Not. Ehrensache, dass man das Tattoo-Studio auf die interaktive Teilnehmerkarte des Vereins „Junge Helden“ setzte und Sondertermine für das besondere Angebot einrichtet, zu denen nicht nur das Stechen des Tattoos, sondern selbstverständlich auch eine umfassende Beratung gehört.
Eine Herzensangelegenheit, Nächstenliebe sichtbar zu tragen
„Mir ist das Thema „Organspende“ sehr wichtig. Ich trage meinen Organspendeausweis ausgefüllt schon seit vielen Jahren in meinem Portemonnaie bei mir. Aber vor eineinhalb Jahren ist ganz plötzlich mein direkter Kollege gestorben. Er brauchte dringend eine neue Niere. Ich war geschockt und so unglaublich traurig. Sein Tod wirkt in mir immer noch nach. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Organspender gäbe oder sich jeder zumindest mal Gedanken dazu macht. Es kann jeden von uns oder aus unserer Familie treffen, dass wir plötzlich ein neues Organ benötigen. Mein Kollege und ich haben oft darüber gesprochen und wie wahnsinnig kompliziert dieses Thema auch ist. Es gibt Länder, die das aus meiner Sicht besser lösen.“, sagt Sarah-Jane Kammermann aus Wadersloh.

Auch für Joleyn Simpson ist es wichtig, dass man mit dem auffälligen Tattoo zum Nachdenken anregt: „Wir freuen uns, dass das Angebot so gut angenommen wird. Man spricht viel offener über das Thema Organspende. Ich persönlich finde es sehr wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt und Farbe bekennt, dass man anderen Menschen helfen möchte. Man kann gemeinsam viel erreichen“, sagt die Tattoo-Künstlerin. „Man sollte unbedingt daran denken, mit Freunden und Angehörigen über das Tattoo und seine Bedeutung zu sprechen. Und man sollte vor allem auch daran denken, dass man eine Patientenverfügung macht und einen Organspendeausweis ausfüllt. Denn hier müssen wir auch immer wieder Aufklärungsarbeit leisten: Das Tattoo allein reicht noch nicht aus, wenn es zu einer möglichen Organspende kommen sollte“, ergänzt sie.
Für Sarah-Jane Kammermann ist nach rund 45 Minuten der Besuch im Tattoo-Studio vorbei. Neben dem Organspende-Tattoo hat sie sich auch die Blutgruppe stechen lassen, denn auch regelmäßiges Blutspenden gehört für sie zu ihrem sozialen Einsatz für die Mitmenschen: „Wenn ich weitere Personen motivieren kann, einen Organspendeausweis auszufüllen, weil sie auf das Tattoo aufmerksam geworden sind, habe ich mein Ziel schon erreicht. Und vielleicht kann so eines Tages ein Menschenleben gerettet werden.“
Hintergrund: Fast 10.000 Menschen warten auf ein lebensrettendes Spenderorgan
Ist das Thema „Organspende“ ein Tabuthema? Eigentlich müsste ihm viel mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden, denn immerhin warten rund 10.000 Menschen auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Sich mit Themen wie Krankheit und Tod auseinanderzusetzen, kostet aber viel Überwindung. Dabei werden Organ- und Gewebespenden dringend benötigt. Die Wartezeit auf ein Organ kann mehrere Jahre betragen, da die Zuteilung über ein komplexes System koordiniert wird. Die Verfügbarkeit von Spenderorganen ist schlecht. Zu wenige Menschen entschieden sich aktiv dafür, eigene Organe nach einem eintretenden Hirntod zur Menschenlebensrettung zu spenden. In Deutschland können nach Angabe des Bundesministeriums für Gesundheit (Stand: Juli 2023) Nieren, Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm nach dem Tod gespendet werden.
Während der Organspendeausweis ein formelles Dokument für die Organentnahme darstellt, ersetzt das Organspende-Tattoo diese Erklärung nicht. Das Symbol, das auf der Haut soll eher als zusätzlicher Hinweis und Absicherung verstanden werden, dass man Organspender aus Überzeugung ist und sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Es ist eine sichtbare Willenserklärung pro Organspende. Das Gesetz sieht vor, dass sich jeder Mensch zu Lebzeiten entscheidet und dokumentiert, ob er Organspender sein möchte oder nicht. Es handelt sich um eine sogenannte Entscheidungslösung. Das kann entweder durch einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung geschehen. Liegt beides nichts vor, so entscheiden die nächsten Angehörigen, ob Organe entnommen werden dürfen. Eine große emotionale Herausforderung. Daher ist es ratsam, sich schon zu Lebzeiten mit dem Thema „Organspenden“ auseinanderzusetzen.



Weiterführende Infos:
- Aufklärungsseite des Bundesministeriums für Gesundheit | externer Link
- Seite der Initiatoren „Junge Helden e.V.“ | externer Link
- Tattoostudio „Farbenkessel“ | Facebook | Instagram (externe Links)
Fotos/Text: mw/bb.