Diestedde (mw/bb). Auch fernab der bekannten Wanderpfade bietet das Nikolausdorf viele Möglichkeiten, Flora und Fauna zu entdecken. Familie Teutrine gehört zu diesen Entdeckern. Markus Teutrine hat sich kürzlich als Fachberater für essbare Wildpflanzen weitergebildet und gibt sein Wissen nicht nur an seine Bürokollegen, sondern auch an seine Familie weiter. Das Vater-Tochter-Gespann Markus und Jasmina unternehmen viele Ausflüge in die Diestedder „Wildnis“ und erkunden die verborgenen grünen Winkel unserer Heimat. Wir haben die beiden begleitet und viel über Wildpflanzen dabei gelernt.
Die Quelle am Diestedder Berg ist beinahe ein mystischer Ort. Umgeben von der Natur und abseits von digitalen Medien und Alltagsstress bietet sich der Rundweg vom Altendiestedder Weg zum Diestedder Berg und zurück als kleiner Halbtagesausflug an. Hier kann man in aller Seelenruhe durchatmen und neue Kraft schöpfen. Oder eben auch eine handvoll Bärlauch einsammeln und sich daraus eine kleine Stärkung nach der spannenden Entdeckungstour zubereiten. Gespannt lauscht Jasmina den Erklärungen von ihrem Papa. Eigentlich ziehen die zwei immer auf der Suche nach neuen „Geocaches“ (eine Art Schnitzeljagd/Schatzsuche) durch das Nikolausdorf. Dabei werden kleine Behälter mit Botschaften anhand von GPS-Koordinaten aufgespürt und alles in kleines Logbuch eingetragen. Aber das ist ein andere Geschichte. Heute spüren Vater und Tochter nämlich einen besonderen grünen Schatz auf, den man schon von weitem riechen kann: Bärlauch.
„Früher wurde bei uns zuhause an Gründonnerstag die ‚Grüne Neune‘ serviert. Das ist eine Suppe aus verschiedenen grünen Wildkräutern. Da passt es ganz gut, dass in der Natur gerade viele Zutaten verfügbar sind“, lacht Markus Teutrine und pflückt sachgemäß mit Jasmina Bärlauchblätter aus dem Waldboden. Die Begeisterung für „Grünzeug“ wurde dem Diestedder schon quasi in die Wiege gelegt: „Pflanzen begeisterten mich schon von Kindesbeinen an. Früher war es der eigene Bereich im Garten der Eltern, sowie Großeltern. Ich pflanzte Tomaten und Gurken an, säte Mohrrüben und Radieschen aus, und erfreute mich immer reichlicher Ernte“, berichtet der Wildkräuterexperte. „Auch heute noch gehören diese Pflanzen in meinen Garten. So finden sich bei uns über 100 verschiedene essbare Pflanzen, wie zum Beispiel Jiaogulan, das Kraut der Unsterblichkeit, die Aroniabeere oder den Vogelbeerbaum.“
So richtig geweckt wurde das Interesse für das grüne Superfood im Hause Teutrine aber erst vor knapp fünf Jahren: „Da besuchte ich bei der VHS Beckum einen Kurs, bei dem es um essbare Wildpflanzen ging. Tags darauf ging ich voller Vorfreude in unserem schönen Diestedde spazieren und entdeckte alle Pflanzen in kürzester Zeit wieder. Ich buchte weitere Kurse und erweiterte so mein Wissen. 2018 entschloss ich mich zu einer Ausbildung in diesem Wissensbereich. Dr. Markus Strauß bietet die zertifizierte Ausbildung zum Fachberater für Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen in Kooperation mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen an. Im Oktober 2018 schloss ich die Ausbildung mit Erfolg ab“, berichtet Markus Teutrine. In der Zwischenzeit hat Tochter Jasmina weitere Kräuter unter einem Strauch entdeckt und wartet gespannt, was ihr Papa wohl zu dem neuen Fund zu erzählen hat.
„Essbare Wildpflanzen sind ein sehr gehaltvolles Lebensmittel. Wer auf eine gesunde Ernährung setzen will, sollte auf drei Dinge achten: die beste Qualität bei den Zutaten, der Geschmack des Essens muss rundum zufriedenstellend und die Zubereitung, dazu zählt auch das Sammeln, darf nicht zu lange dauern“, rät der Wildpflanzenprofi, der ganz nach dem Motto von Dr. Strauß lebt: „Mein Ziel ist die Re-Integration der essbaren Wildpflanzen in unsere heutige Alltagskultur.“
So oder so hat sich der Ausflug in die Natur für Markus und Jasmina an diesem Nachmittag sehr gelohnt. Statt in einer Plastiktüte werden die kostbaren Pflanzen natürlich in einem wiederverwendbaren Korb transportiert. So kann man das Ergebnis der Entdeckungstour auch gleich viel besser begutachten und Rotkäppchen hat das ja schließlich genauso gemacht. „Was mir besonders an diesen Ausflügen gefällt, ist, das man die Natur ganz anders wahrnimmt und einen ganz anderen Zugang zur Wertigkeit von Produkten erhält. Und man darf natürlich auch nicht vergessen, dass Wildkräuter unserem Essen einen ganz eigenen Geschmack verleihen und sie natürlich auch Heilkräfte besitzen“, freut sich Markus Teutrine. Das wussten auch schon die Großeltern und deswegen gab es ja die besondere grüne Festtagssuppe vor dem Osterfest. Mit der schmackhaften „Ach du grüne Neune“ konnte der Kräftehaushalt nach dem langen Winter wieder aufgefüllt werden und das Osterfest mit einem aufgeladenen Energiespeicher begangen werden. Auch Familie Teutrine musste sich nach dem spannenden Naturausflug durch den Diestedder Berg erst einmal stärken. Aus den mitgebrachten Schätzen wurde eine leckere Bärlauch-Pesto und ein grüner Smoothie. Und das zum Nulltarif und mit der Nachhaltigkeit im Blick. Und so ein Vater-Tochter-Ausflug ist eben auch einfach unbezahlbar.
!Achtung! Wildlebende Blumen, Gräser, Früchte und Heilkräuter, die keinem Betretungsverbot unterliegen, dürfen in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf entnommen werden. Pflücke Wildpflanzen achtsam und nachhaltig. Nimm am besten nur ein paar Blätter einer Pflanze, so dass diese sich regenerieren kann.
Rezept für die Gründonnerstagssuppe „Grüne Neune“
Brennnesselspitzen, Bärlauch, Löwenzahn, Knoblauchrauke, Giersch, Vogelmiere, Gänseblümchen, Wegerich und Schafgarbe
1 Zwiebel und 2 Knoblauchzehen klein schneiden, in Kokosöl dünsten. Mit 1 Liter Biogemüsebrühe ablöschen und zum Kochen bringen. Die Kräuter pürieren und für 2 Minuten mitkochen. Guten Appetit und frohe Ostern!
Eine aktuelle Sammelliste gibt es bei Dr. Strauß (externer Link).
Fotos/Text: B. Brüggenthies