Liesborn (mw/bb). Hallo, Horrido und Halt, bitte! Aufgrund der sehr umfänglich sichtbaren Beflaggung ist kaum zu verleugnen, dass das diesjährige Schützenfest begonnen hat! Doch in diesem Jahr lohnt nicht nur die Teilnahme als wahlweise a) Aktiver oder b) Gast, sondern auch ein kleiner Schlenker ins benachbarte Museum. Dort wurde heute die Ausstellung „Das Schützenfest-abc“ mit einem augenzwinkernden und außergewöhnlich humorvollen Eröffnungs-Mini-Festakt zur Besichtigung freigegeben. Also: Bitte kurz vor dem Festzelt gern kurz rechts abbiegen und die Ausstellung besuchen. Es lohnt sich!
Man stelle sich vor, ein US-Amerikaner kommt in die westfälische Provinz und man versucht ihn darüber aufzuklären, was eigentlich ein „Schützenfest“ ist. Während das „Oktoberfest“ in den Vereinigten Staaten längst zu einer eigenen Tradition geworden, so fällt es doch nicht so einfach, die westfälische Tradition von Monarchen auf Zeit zu vermitteln. Zumal diese zuvor auf einen hölzernen Vogel schießen, bis dieser letztendlich die Flügel streckt und den Sturzflug antritt. Die Geschichte des Amerikaners ist nicht erfunden! Sie hat sich vor vielen Jahre in der westfälischen Heimat von Zeichner Peter Menne zugetragen und darf heute dankenswerterweise als nette Anekdote Einzug finden in Ausstellungseröffnungsreden.
Vieles war gänzlich anders bei der jüngsten Eröffnung. Mit Superlativen kennt sich das Team des Museums spätestens nach dem Evangeliars-Festakt hervorragend aus. Aber eine Eröffnungsansprache eines Museumsleiters umringt von Fahne tragenden Schützenbrüdern von gleich sieben umliegenden Schützenvereinen? Das hat es in der Jahrhunderte alten Geschichte der einstigen Benediktinerabtei (mutmaßlich) noch nie gegeben. Dr. Sebastian Steinbach ist auf den Tag zwei Jahre Leiter des Museums, doch gefeiert wird an diesem Wochenende in Liesborn aus anderen Gründen: Zum einen das Schützenfest und zum anderen die Eröffnung einer gelungenen Ausstellung.
Drei Punkte sprach Dr. Steinbach an, die die Ausstellung aus seiner Sicht zu etwas Besonderem machen: Als Historiker stellte er das Schützenfest als gelebte Tradition heraus, die auch rund um das einstige Kloster vor hunderten von Jahren schon zelebriert wurde. Als Museumsleiter verfolge er das Ziel, Leute ins Museum zu bekommen, und zwar durch einen partizipativen Ansatz. Und – ganz beiläufig sei auch sein privates Interesse an Schützenfesten groß. Denn 1999 lernte er seine spätere Frau auf einem Schützenfest in Berlin kennen. Ganz klar: Um eine Schützenfest-Ausstellung konnte das Museum Abtei Liesborn nicht drum herumkommen.
Ausgerechnet die Corona-Pandemie trägt eine Mitschuld! Als die Schützenbrüder und -schwestern noch traurig die Absagen der Feste verarbeiten mussten, saß Peter Menne in Potsdam schon längst an der Arbeit. Mit einem Augenzwinkern und einer großen Portion Wertschätzung erdachte der Illustrator und Zeichner das Konzept, das Schützenwesen als Teil der westfälischen Lebenskultur in eine Buchform zu bringen. Mit Augustin Upmann (Frontmann der „Bullemänner“) fand er einen kreativen Mitstreiter! Der Rest ist Geschichte (in Buchform, die man unbedingt gelesen/angesehen haben MUSS!).
In Liesborn hatte man mit Stefan Laackmann (Vors. des Schützenvereins Liesborn) einen tatkräftigen Unterstützer gefunden. Denn neben der Ausstellung mit Karikaturen und den überspitzten Texen sollte auch die örtliche Schützenkultur Raum bekommen. Schnell war die Idee geboren, sämtliche Schützenvereine der Gemeinde und die Nachbarn aus Walibo ebenfalls für die Idee zu begeistern. So betrat man unbekanntes Terrain und schuf eine Ausstellung auf zwei Ebenen, in der sich vor allem Schützenfest-Begeisterte (und solche, die es noch werden wollen) wiederfinden dürften. Nicht umsonst aber steht das „Z“ im Schützenfest-abc für das „Zusammengehörigkeitsgefühl“. „Die Schützenfeste sind die Grundlage, für ein friedvolles Zusammenleben. Wir sind ein modernes Volksfest und stehen für das Miteinander der Generationen“, brachte es Stefan Laackmann auf den Punkt.
Das Schützenfest als Spiegel der Gesellschaft. So könnte man grob Texte und Zeichnungen zusammenfassen. Rund 1/3 der Texte basiert auf Texten von Schützenvereinen, die Augustin Upmann anschließend in Form brachte. Dass man sich aber nicht nur den gängigen Klischees bediente, sondern das Schützenfest als liebenswerte Tradition darstellt, das könnte wohl auch den westfälischen Wurzeln von Peter Menne geschuldet sein. Die bewusste Neuinterpretation der Schlagworte „Glaube – Sitte – Heimat“ erfährt in der Ausstellung eine liebevolle Hommage an die Kindheitserinnerungen an Schützenfeste und die heutige Auslegung einer Tradition, die bis heute die Generationen verbindet. Diese Ausstellung und auch ihre Eröffnung wird man so schnell nicht vergessen. Vor allem auch aufgrund der (musikalischen) Einlage von Augustin Upmann. Horrido!
Impressionen von der Ausstellungseröffnung
Fotos/Text: B. Brüggenthies