Wadersloh (mw/bb). In der Geschichte der Gemeinde Wadersloh kommt es nicht oft vor, dass ein Ratsbeschluss aufgrund einer möglichen Rechtswidrigkeit aufgehoben werden soll. Bei der gestrigen 9. Ratssitzung wurde hitzig diskutiert. Einmal mehr ging es um den Umgang mit den Regenrückhaltebecken auf dem Gemeindegebiet.
Seit 2 Jahren eine unendliche Geschichte, die bereits im Dezember zu einer denkwürdigen Geheimabstimmung führte. Sechs Wochen später ist das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen gebracht: Auf Gemeindeebene ist in Sachen Regenrückhaltebecken nichts mehr zu machen. Ausbaden muss das Geplänkel nun der Landrat in Warendorf. Der Bürgermeister wollte die Ratsbeschlüsse revidieren, da sie aus seiner Sicht nichts rechtskonform seien, da sie gegen die Verkehrssicherungspflicht verstoßen würden. AFD und CDU sahen das anders und stimmten bei fünf Regenrückhaltebeckensicherungen gegen den Einspruch der Verwaltungsspitze.
Im Ratssaal herrschte trotz guter Belüftung (Pandemiebedingt) ziemlich dicke Luft. Bürgermeister Christian Thegelkamp und der CDU-Fraktionsvorsitzende Rudi Luster-Haggeney vertreten völlig gegensätzliche Ansätze. Die Gemeinde Wadersloh sprach sich für eine einheitliche Lösung und Umzäunung mit 1,25 Meter hohen Zäunen plus Hecken aus. Im Vordergrund dabei: Die Verkehrssicherungspflicht. Die CDU-Fraktion sprach sich hingegen immer für eine individuelle Betrachtung der Einzelsituationen aus. Zwar ist auch hier die Verkehrssicherheit oberstes Gebot, aber auch vorhandene Privatzäune wurden z.B. mit einbezogen.
Seit mehr als zwei Jahren sind die Regenrückhaltebecken Gegenstand der politischen Beratung. Als Wasserbauwerke für den Hochwasserschutz sollen sie eigentlich das Regenwasser sammeln und dieses dann zeitverzögert in die Regenwassergräben abgeben, damit Straßen und Keller nicht überflutet werden. Wenn etwas passiert, haftet die Gemeinde Wadersloh. Deswegen setzte sich vor allem Bürgermeister Thegelkamp für die sicherste Lösung ein. Bereits die 1,25 Meter waren ein Kompromiss. So sah die ursprüngliche Beschlussvorlage der Gemeinde seinerzeit sogar die Umzäunung mit 1,80 Meter hohen Zäunen vor.
„Schade, dass mit Mehrheit gefasste rechtmäßige Beschlüsse des Bauausschusses, des Hauptausschusses und des Rates der Gemeinde Wadersloh zu den 6 in Rede stehenden RRB vom Bürgermeister Thegelkamp nicht akzeptiert und umgesetzt werden. Das Schreiben des Bürgermeisters zur Begründung seiner Beanstandung weist aus Sicht der CDU-Fraktion erhebliche Mängel auf“, verlas Rudi Luster-Haggeney eine Stellungnahme zu der Beschlussvorlage. Dabei betonte die CDU-Fraktion, dass man die Bauwerke auch persönlich in Augenschein genommen hätte, um zu einer Entscheidung zu kommen. Dieses habe der von der Gemeinde Wadersloh beauftragte Rechtsanwalt Wölke nicht getan, da er nur nach Akteneinsicht eine Empfehlung aussprach. „Damit wird deutlich, dass Herr Wölke, anders als vom Bürgermeister behauptet, kein Gutachten im klassischen Sinne erstellen konnte und erstellt hat“, so Luster-Haggeney. Die „kilometerlangen und 180 cm hohen Stabgitterzäunen“ bezeichnet die CDU als „maßlos überzogen“ und rechtfertigte die Einzelbetrachtung. „[…] letztlich gilt es auch die Frage zu beantworten, wieviel Aufwand zu Lasten der Natur und Umwelt, aber auch finanziellen Aufwand betreiben wir, um ein nur sehr theoretisches Gefahrenpotential noch zu beseitigen?“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende abschließend, ehe er konstatierte, dass die gefasste Beschlüsse nicht rechtswidrig sein.
In der Abstimmung waren sich CDU und AFD (16 Stimmen) gegen 14 Stimmen (bei Berkenweg und Eichenallee mit 1 Enthaltung der FDP) einig, dass der Beanstandung durch den Bürgermeister nicht gefolgt wird. Wie rechtlich vorgesehen, wird die Beanstandung nun nicht mehr auf Gemeindeebene geprüft, sondern durch den Landrat. Sollte Dr. Gericke zu keiner Entscheidung kommen, muss die Bezirksregierung entscheiden.
Kommentar:
In Sachen Verkehrsicherheitspflichten ist man in der Gemeinde Wadersloh seit einem Unfall mit Todesfolge in Göttingen vor einigen Jahren besonders sensibel. Was seinerzeit die Sichtdreiecke waren, sind heute die Regenrückhaltebecken. Sicherheit nach Augenmaß? Reicht die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger, die Acht geben, dass ja kein Kind in das Wasser fällt? Oder sollte man jede noch so kleine Eventualität bedenken und lieber den Zaun ein Stückchen höher bauen?
Auch wenn bisher glücklicherweise nichts passiert ist: Unfälle sind dadurch gekennzeichnet, dass sie plötzlich und unfreiwillig geschehen. Seit zwei Jahren wird diskutiert, wie man die Regenrückhaltebecken besser absichern kann. Hier wird schon viel zu lange diskutiert, wo längst hätte gehandelt werden können. Es sollte nun eine finale Entscheidung gefällt werden. Schade, dass man sich auf Gemeindeebene bei diesem wichtigen Thema (immer noch) nicht einigen konnte und jetzt der Kreis entscheiden muss, ob die Beanstandung der bisher beschlossene Sicherung zulässig ist oder nicht. Kaum vorstellbar, was passiert, wenn tatsächlich mal ein Kind in einem Moment der Unaufmerksamkeit in einem der Becken verunfallt. Nun ist erst einmal Landrat Dr. Gericke am Zug.
Update/Korrektur: In einer früheren Version schrieben wir, dass die SPD-Fraktion 1,80 Meter hohe Zäune forderte. Richtig ist, dass die SPD der Beschlussvorlage der Gemeindeverwaltung folgte. Wir haben den Absatz entsprechend angepasst.
Text/Foto: mw/bb.